Auch wenn es es sich um zwei der extremsten Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit handelt, bietet die assistierte Reproduktionstechnik hier Möglichkeiten, damit Männer mit dieser Funktionsstörung Väter werden können
Die Fruchtbarkeit bei den Männern wird immer mehr durch “eine progressive Verschlechterung der Samenqualität” beeinträchtigt, meint Marta Trullenque, Fachärztin in der Klinik Eugin. Neue Lebensstile, Stress oder Veränderungen der Umwelt sind neben den angeborenen oder hormonellen Ursachen einige der Gründe für diese Verschlechterung. Nach einer kürzlichen Studie der Sociedad Española de Bioquímica Clínica y Patalogía Molecular (Spanische Gesellschaft für klinische Biochemie und Molekularpathologie) (SEQC) weisen 60% der untersuchten Samenproben Veränderungen auf und bei ca. 7% ist die Spermienkonzentration nur sehr gering oder geht sogar gegen null. Für diese Diagnose sind zwei pathologische (im Abstand von zwei oder drei Monaten durchgeführte) Spermiogramme erforderlich.
Der schlimmste Fall ist die Azoospermie, dem Fehlen von Spermien in der Samenflüssigkeit. Bei der am häufigsten auftretenden Form, der nicht-obstruktiven Azoospermie, erzeugen die Hoden keine Spermien oder nur in sehr geringer Anzahl. Die andere Form ist die obstruktive Azoospermie; hier verhindert eine Verstopfung, dass die in den Hoden erzeugten Spermien sich mit der restlichen Samenflüssigkeit vereinen, was bei einer Vasektomie vorkommt. Ohne dass es sich bereits um Azoospermie handelt, ist manchmal die Anzahl der vorhandenen Spermien sehr gering (unter 15 Millionen pro Milliliter), was man unter dem Begriff Oligozoospermie kennt.
Eine weitere, häufig auftretende Störung ist die, welche sich auf die Beweglichkeit der Spermien auswirkt. Wenn der Anteil der beweglichen Spermien im Samen unter 32% liegt, so spricht man von Asthenozoospermie, was ebenfalls die Chancen auf die Befruchtung einer Eizelle verringert.
Kann ich mit Azoospermie oder Asthenozoospermie Vater werden?
Die sich auf die Samenqualität auswirkenden Funktionsstörungen sind die Ursache von Unfruchtbarkeit. Bedeutet dies aber, dass Männer, die unter Azoospermie oder Asthenozoospermie leiden, keine Kinder zeugen können? Nicht unbedingt. Dank der assistierten Reproduktionstechnik können in vielen Fällen Männer mit einer dieser Funktionsstörungen sogar ihren Traum, Vater zu werden, verwirklichen.
Der erste Schritt bei einer möglichen Funktionsstörung ist eine individuell durchgeführte Diagnose. Dazu erfolgt zunächst ein Abtasten der Hoden und danach wird ein Spermiogramm erstellt, also einen Samenanalyse, mit deren Hilfe man viele Informationen erhält. Eine weitere Blutuntersuchung erlaubt die Feststellung möglicher hormoneller Einflussfaktoren. Abschließend erfolgt noch eine Hodenbiopsie, also ein kleiner Eingriff, der es erlaubt, eine kleine Spermienprobe aus der Hode zu entnehmen.
“Selbst wenn eine nicht-obstruktive Azoospermie diagnostiziert wird –erklärt dazu Doktor Trullenque– kann es bei 60% der Fälle zur Produktion von Spermien in einem kleinen Bereich der Hode kommen“. Wenn der bei der Hodenbiopsie gewonnene Samen für eine Befruchtung geeignet ist, kann das eigene Sperma des Patienten bei einer In-vitro-Fertilisation mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) verwendet werden. Das heißt, man injiziert jeweils ein Spermium direkt in jede Eizelle. Andernfalls gibt es immer noch die Möglichkeit, auf den Samen eines Spenders zurückzugreifen.
Im Falle einer obstruktiven Azoospermie aufgrund einer Vasektomie gibt es zwei Möglichkeiten: die verstopften Kanäle wieder zu öffnen oder die Spermien direkt aus den Hoden zu entnehmen. “Je weniger Zeit seit der Vasektomie verstrichen ist, umso größer sind die Chancen für eine Refertilisierung” meint Doktor Trullenque. Wenn die Vasektomie nicht rückgängig gemacht werden kann, dann entscheidet man sich für eine Hodenbiopsie, um damit die Spermien für ein In-vitro-Fertilisation mit ICSI zu gewinnen.
Im Falle der Asthenozoospermie ist das Ziel, Spermien mit ausreichender Beweglichkeit zu bekommen, um damit die Eizelle zu befruchten. Nach Erhalt der Probe erfolgt, wie in den vorher genannten Fällen, eine In-vitro-Fertilisation mit ICSI.
Bei Paaren mit Fertilitätsproblemen liegt die Ursache heutzutage gleichmäßig verteilt zu jeweils 50% bei Männern und Frauen. “Den Männern fällt es jedoch weiterhin schwerer, zu akzeptieren, dass das Fertilitätsproblem bei ihnen liegt”, meint Doktor Trullenque. Auch wenn die Möglichkeit besteht, auf einen Samenspender zurückzugreifen, so bieten die heutigen Behandlungen für eine assistierte Reproduktion höhere Erfolgsaussichten, so dass Männer mit Azoospermie oder Asthenozoospermie in der Lage sind, ihre eigenen Gene auf ihre Kinder zu übertragen.