Männer in der Kinderwunschbehandlung: vom randständigen Zuschauer zum einem aktiv beteiligten Partner

Veröffentlicht: 18 August 2014|Aktualisiert: 18 August 2014|Über assistierte Reproduktion.|

Artikel von Dr. Petra Thorn, Sozial- und Familientherapeutin mit Schwerpunkt psychologische Kinderwunschberatung

Kinderwunschbehandlung

Für Männer ist eine Kinderwunschbehandlung oft eine ganz besondere Herausforderung: Sie müssen mitansehen und gewissermaßen „ertragen“, dass ihre Partnerin sich einer invasiven medizinischen Behandlung unterzieht und sie selbst nichts dazu beitragen können, um ihr dies zu erleichtern. Dies ist umso schwerer zu ertragen, wenn man als der Diagnoseträger ist. „Ich bin daran schuld und kann nichts machen, um es meiner Frau zu erleichtern“ – dies ist ein Gedanke, der viele Männer in dieser Situation umtreibt.

Geprägt ist der Wunsch, aktiv zu helfen, von der für Männer üblichen Bewältigungsstrategie, Krisen und Probleme durch Handlungen zu lösen. Frauen hingegen haben das Bedürfnis nach Austausch und Reden. Diese beiden Strategien sind sehr unterschiedlich, passen nicht immer zusammen und führen manchmal dazu, dass man aneinander vorbeiredet und vorbeihandelt.

Wie kommen Sie als Mann aus einem solchen Dilemma heraus?

Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, in einer festgefahrenen Situation wieder handlungs- und kommunikationsfähig zu werden. Hier einige auf die Kinderwunschzeit bezogene Anregungen:

  • Pflegen Sie in der Kinderwunschzeit aktiv Ihre Beziehung. Machen Sie konkrete Vorschläge und Pläne für Aktivitäten, die Sie und Ihre Partnerin von der anstrengenden Behandlung ablenken und die Ihnen Freude bereiten.
  • Ihre Partnerin wird tatsächlich den größeren körperlichen Beitrag leisten, wenn Sie sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden. Wertschätzen Sie diesen Beitrag, indem Sie ihr ab und zu ein kleines Geschenk machen, z.B. ein Strauß Blumen, eine Fußmassage, ein gemeinsames Frühstück im Bett …
  • Falls sich Ihre Partnerin zeitweise von der Behandlung überfordert fühlt, können Sie organisatorische Dinge (Terminabsprachen, Klärungen mit den Ärzten oder der Krankenkasse) übernehmen. Sie können auch eine psychosoziale Kinderwunschberatung anregen, um Hilfe von einer Fachkraft zu erhalten.
  • Erkennen Sie Unterschiede an. Selbst wenn Sie beide gleichermaßen einen Kinderwunsch haben, werden Sie die Situation unterschiedlich bewerten und selten das gleiche empfinden. Diese Unterschiedlichkeit hat nicht nur trennende, sondern auch bereichernde Aspekte: Der Stärkere kann dem Schwächeren Trost spenden und Mut zusprechen – und irgendwann werden sich diese Rollen vielleicht drehen.
  • Falls Ihre Sexualität zeitweise leidet – so ist das nur normal. Das Wissen, dass romantisches Miteinanderschlafen nicht zur einer Zeugung führt, oder medizinische Vorgaben für Verkehr zu bestimmten Zeiten können zu Verkrampfungen und Unlust führen. Versuchen Sie, Ihre Sexualität aufzuteilen zwischen „funktionaler“ Sexualität (zur möglichen Zeugung eines Kindes, das kann auch „nebenher“ passieren) und „lustorientierter“ Sexualität (das können Sie romantisch gestalten und planen). Falls sich Ihre Lust gerade verabschiedet hat, nehmen Sie sich gegenseitig in den Arm und genießen Sie die körperliche Zweisamkeit mit Ihrer Partnerin.
  • Tauschen Sie sich über Ihre Gefühle, Ihr Erleben und Ihre Erwartungen aus. Nur wenn Sie wissen, wie es Ihrer Partnerin geht, und sie weiß, wie es Ihnen geht, können Sie auf einander Rücksicht nehmen. Die Erfahrung zeigt, dass Paare, die sich über ihr emotionales Erleben austauschen können, im Nachhinein die Krise der ungewollten Kinderlosigkeit als ein „Zusammenschweißen“ erleben. Diejenigen, die wenig miteinander sprachen, beschreiben hingegen, dass sie emotional auseinander getriftet sind – unabhängig davon, ob ihr Kinderwunsch in Erfüllung ging oder nicht.
  • Es gibt Situationen, die einem sprachlich überfordern. Wenn man mehrfach erleben musste, dass Behandlungen nicht zu einer Schwangerschaft führen, fehlen einem die Worte. Falls dies passiert: Nehmen Sie Ihre Frau in den Arm und zeigen Sie ihr, dass Sie für sie das sind. Das ist wertvoller als Ratschläge, die in einer solchen Situation vielleicht eher als „Schlag“ ins Gesicht denn als „Rat“ ankommen.
  • Falls Sie sich in der medizinischen Behandlung vernachlässigt fühlen, besprechen Sie dies mit dem Arzt. Natürlich sollten Sie bei allen wichtigen Gesprächen und Behandlungsschritten dabei sein. Aber auch bei weniger wichtigen medizinischen Maßnahmen(z.B. Ultraschallmonitoring) kann es für Sie selbst und für Ihre Partnerin wichtig sein, dass Sie sie begleiten – auch wenn es nicht erforderlich ist.

Zu guter Letzt: Sorgen Sie auch für sich. Genießen Sie die Teile Ihres Lebens, die trotz Kinderwunsch lebenswert sind, pflegen Sie Freundschaften und entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrer Partnerin auch Ziele unabhängig vom Kinderwunsch.

Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Ihr Leben gut weitergeht – mit oder ohne Kind.

Petra Thornwww.pthorn.de
Ich arbeite als Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin und Familientherapeutin seit über 20 Jahren in eigener Praxis mit einem Schwerpunkt auf der psychosozialen Kinderwunschberatung (). Seit vielen Jahren führe ich darüber hinaus Fort- und Weiterbildungen für psychosoziale und medizinische Fachkräfte durch, beteilige mich am wissenschaftlichen und interdisziplinären Austausch und habe zahlreiche Bücher geschrieben.

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